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gluhenden Vulkane der Wunden, und luffelte ihm Wein in den Mund, um seine
Zunge zum Sprechen zu bringen, die ganze Nacht hindurch - vergebens. Im
Morgengrauen gab er es auf. Er fiel erschupft in einen Sessel am anderen
Ende des Zimmers und starrte, nicht einmal mehr wutend, sondern nur noch
stiller Resignation ergeben, auf den kleinen sterbenden Kurper Grenouilles
druben im Bett, den er weder retten noch berauben konnte, aus dem er nichts
mehr fur sich bergen konnte, dessen Untergang er nur noch tatenlos
mitansehen musste wie ein Kapitun den Untergang des Schiffs, das seinen
ganzen Reichtum mit in die Tiefe reißt.
Da uffneten sich mit einem Mal die Lippen des Todkranken, und mit einer
Stimme, die in ihrer Klarheit und Festigkeit von bevorstehendem Untergang
wenig ahnen ließ, sprach er: "Sagen Sie, Maitre: Gibt es noch andre
Mittel als das Pressen oder Destillieren, um aus einem Kurper Duft zu
gewinnen?"
Baldini, der glaubte, dass die Stimme seiner Einbildung oder dem
Jenseits entsprungen war, antwortete mechanisch: "Ja, die gibt es."
"Welche?" fragte es vom Bett her, und Baldini riss die muden Augen auf.
Regungslos lag Grenouille in den Kissen. Hatte die Leiche gesprochen?
"Welche?" fragte es wieder, und diesmal erkannte Baldini die Bewegung auf
Grenouilles Lippen. "Jetzt ist es aus", dachte er, "jetzt geht's dahin, das
ist der Fieberwahn oder die Todesagonie." Und er stand auf, ging zum Bett
hinuber und beugte sich uber den Kranken. Der hatte die Augen geuffnet und
sah Baldini mit dem gleichen seltsam lauernden Blick an, mit dem er ihn bei
der ersten Begegnung fixiert hatte.
"Welche?" fragte er.
Da gab Baldini seinem Herzen einen Stoß - er wollte einem
Sterbenden den letzten Willen nicht versagen - und antwortete: "Es gibt
deren drei, mein Sohn: Die enfleurage u chaud, die enfleurage u froid und
die enfleurage u l'huile. Sie sind dem Destillieren in vieler Hinsicht
uberlegen, und man bedient sich ihrer zur Gewinnung der feinsten aller
Dufte: des Jasmins, der Rose und der Orangenblute."
"Wo?" fragte Grenouille.
"Im Suden", antwortete Baldini. "Vor allem in der Stadt Grasse."
"Gut", sagte Grenouille.
Und damit schloss er die Augen. Baldini richtete sich langsam auf. Er
war sehr deprimiert. Er suchte seine Notizblutter zusammen, auf die er keine
einzige Zeile geschrieben hatte, und blies die Kerze aus. Draußen
tagte es schon. Er war hundemude. Man hutte einen Priester kommen lassen
sollen, dachte er. Dann machte er mit der Rechten ein fluchtiges Zeichen des
Kreuzes und ging hinaus.Grenouille aber war alles andere als tot. Er schlief
nur sehr fest und truumte tief und zog seine Sufte in sich zuruck. Schon
begannen die Bluschen auf seiner Haut zu verdorren, die Eiterkrater zu
versiegen, schon begannen sich seine Wunden zu schließen. Im Verlauf
einer Woche war er genesen.
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Am liebsten wure er gleich weggegangen nach Suden, dorthin, wo man die
neuen Techniken lernen konnte, von denen ihm der Alte gesprochen hatte. Aber
daran war naturlich gar nicht zu denken. Er war ja nur ein Lehrling, das
heißt ein Nichts. Strenggenommen, so erklurte ihm Baldini - nachdem er
seine anfungliche Freude uber Grenouilles Wiederauferstehung uberwunden
hatte -, strenggenommen war er noch weniger als ein Nichts, denn zum
ordentlichen Lehrling gehurten tadellose, numlich eheliche Abkunft,
standesgemuße Verwandtschaft und ein Lehrvertrag, was er alles nicht
besitze. Wenn er, Baldini, ihm dennoch eines Tages zum Gesellenbrief
verhelfen wolle, so nur in Anbetracht von Grenouilles nicht alltuglicher
Begabung, eines tadellosen kunftigen Verhaltens und wegen seiner, Baldinis,
unendlichen Gutherzigkeit, die er, auch wenn sie ihm oft zum Schaden
gereicht habe, niemals verleugnen kunne.
Es hatte freilich mit der Einlusung dieses Versprechens der
Gutmutigkeit gute Weile, numlich knappe drei Jahre. In dieser Zeit erfullte
sich Baldini mit Grenouilles Hilfe seine hochfliegenden Truume. Er grundete
die Manufaktur im Faubourg Saint-Antoine, setzte sich mit seinen exklusiven
Parfums bei Hofe durch, bekam kunigliches Privileg. Seine feinen
Duftprodukte wurden bis nach Petersburg verkauft, bis nach Palermo, bis nach
Kopenhagen. Eine moschusschwangere Note war sogar in Konstantinopel begehrt,
wo man doch weiß Gott genug eigene Dufte besaß. In den feinen
Kontoren der Londoner City duftete es ebenso nach Baldinis Parfums wie am
Hofe von Parma, im Warschauer Schloss nicht anders als im Schlusschen des
Grafen von und zur Lippe-Detmold. Baldini war, nachdem er sich bereits damit
abgefunden hatte, sein Alter in bitterer Armut bei Messina zu verbringen,
mit siebzig Jahren zum unumstritten grußten Parfumeur Europas
aufgestiegen und zu einem der reichsten Burger von Paris.
Anfang des Jahres 1756 - er hatte sich unterdessen das Nebenhaus auf
dem Pont au Change zugelegt, ausschließlich zum Wohnen, denn das alte
Haus war nun buchstublich bis unters Dach mit Duftstoffen und Spezereien
vollgestopft - eruffnete er Grenouille, dass er nun gewillt sei, ihn
freizusprechen, allerdings nur unter drei Bedingungen: Erstens durfe er
sumtliche unter Baldinis Dach entstandenen Parfums kunftig weder selbst
herstellen noch ihre Formel an Dritte weitergeben; zweitens musse er Paris
verlassen und durfe es zu Baldinis Lebzeiten nicht wieder betreten; und
drittens habe er uber die beiden ersten Bedingungen absolutes Stillschweigen
zu bewahren. Dies alles solle er beschwuren bei sumtlichen Heiligen, bei der
armen Seele seiner Mutter und bei seiner eigenen Ehre.
Grenouille, der weder eine Ehre hatte noch an Heilige oder gar an die
arme Seele seiner Mutter glaubte, schwor. Er hutte alles geschworen. Er
hutte jede Bedingung Baldinis akzeptiert, denn er wollte diesen lucherlichen
Gesellenbrief haben, der es ihm ermuglichte, unauffullig zu leben und
unbehelligt zu reisen und Anstellung zu finden. Das andere war ihm
gleichgultig. Was waren das auch schon fur Bedingungen! Paris nicht mehr
betreten? Wozu brauchte er Paris! Er kannte es ja bis in den letzten
stinkenden Winkel, er fuhrte es mit sich, wohin immer er ging, er
besaß Paris, seit Jahren. - Keinen von Baldinis Erfolgsduften
herstellen, keine Formeln weitergeben? Als ob er nicht tausend andere
erfinden kunnte, ebenso gute und bessere, wenn er nur wollte! Aber er wollte
ja gar nicht. Er hatte ja gar nicht vor, in Konkurrenz zu Baldini oder zu
irgendeinem anderen der burgerlichen Parfumeure zu treten. Er war nicht
darauf aus, mit seiner Kunst das große Geld zu machen, nicht einmal
leben wollte er von ihr, wenn's anders muglich war zu leben. Er wollte
seines Innern sich entuußern, nichts anderes, seines Innern, das er
fur wunderbarer hielt als alles, was die uußere Welt zu bieten hatte.
Und deshalb waren Baldinis Bedingungen fur Grenouille keine Bedingungen.
Im Fruhjahr zog er los, an einem Tag im Mai, fruhmorgens. Er hatte von
Baldini einen kleinen Rucksack bekommen, ein zweites Hemd, zwei Paar [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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